Druckvorhersage in Elastomerwerkzeugen

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Druckvorhersage in Elastomerwerkzeugen

Simulationsergebnisse stimmen trotz ständiger Weiterentwicklung bestehender Simulationsmodelle nicht immer mit Messergebnissen an der Maschine überein. Ist die Simulation des Drucks im Elastomerwerkzeug fehlerhaft, kann sich das kritisch auf andere Simulationsresultate wie die Prognose des Füllverhaltens der Form, der mechanischen Eigenschaften des Bauteils oder des Verzugs des Fertigteils auswirken, da entsprechende Zusammenhänge zwischen Druckänderungen und der damit verbundenen Temperaturentwicklung existieren. In der Serienproduktion würden solche Prognosefehler zu gravierenden Problemen führen. Der Artikel gibt eine kurze Einführung in die Messung und Simulation von Druck und beantwortet hierzu verschiedene Fragestellungen.

Autoren: Timo Gebauer, Vanessa Schwittay

Fachpublikation zuerst erschienen in GAK 01/2016, Seite 28-30

Die Prozesssimulation SIGMASOFT® Virtual Molding ist in der Entwicklungsphase von Elastomerprodukten bereits ein etabliertes Werkzeug. Sie wird zur Vermeidung von Produktionsproblemen und zur Verkürzung der Produkteinführungszeit industrieller Anwendungen genutzt. Schon sehr früh in der Entwicklungsphase können Angusssysteme balanciert oder Werkzeugtemperierungen optimiert werden. Doch trotz ständiger Weiterentwicklung und Verfeinerung der Modelle passiert es manchmal, dass die Simulationsergebnisse nicht mit den Messungen an der Maschine übereinstimmen.

Das betrifft nicht nur den simulierten Druck, sondern auch andere Ergebnisse wie das Füllverhalten und viele temperaturabhängige Ergebnisse aufgrund ihrer Korrelation mit Druckänderungen. So wird es nicht nur schwerer zu entscheiden, ob das Bauteil wie vorhergesagt füllt. Auch Ergebnisse zum Vernetzungsgrad, zu den mechanischen Eigenschaften des Bauteils, zur Materialdegradation oder Verzug des Bauteils werden unter Umständen weniger zuverlässig (Bild 1).

Bild 1 – Verschiedene Ergebnisse, wie der Vernetzungsgrad (links) und die Materialdegradation (rechts), hängen von einer korrekten Druckvorhersage ab

Wenn das während der Serienproduktion an der Maschine beobachtete Verhalten nicht mit dem vorhergesagten übereinstimmt, können größere Probleme auftreten. Verlorenes Geld, zeitliche Verzögerungen und frustrierte Kunden sind einige der Folgen. Nun stellt sich die Frage, warum so etwas passiert und noch wichtiger wie solche Probleme vermieden werden.

Ein Schlüsselfaktor während der Werkzeugentwicklung ist der zur Bauteilfüllung benötigte Druck. Der maximale Druck ist einer der limitierenden Werte für die Maschinenauswahl. Er ist außerdem ein Indikator für die Energie, die das Gummi während der Füllung aufheizt, und damit kritisch für die Bestimmung der Vernetzungszeit.

Der Druck kann an verschiedenen Stellen im System gemessen werden. Hydraulischer Druck und Drucksensoren in Kolben oder Werkzeug sind die üblichsten Referenzpunkte für den Druck. Normalerweise wird nur ein Referenzpunkt genutzt. Wenn das System mehr als einen Druck misst, sind diese Werte bereits oft gegensätzlich.

Bild 2 zeigt die gemessenen Druckwerte an zwei verschiedenen Punkten im Angusssystem eines Elastomerwerkzeugs. Obwohl der hydraulische Druck konstant ist, fällt der Druck nah an der Maschine (P-runner1) ab einem bestimmten Zeitpunkt ab. Auf den ersten Blick scheint dies unphysikalisch. In diesem Fall merkt der hydraulische Druck, was im Kolben passiert. Wenn das Schmelzepolster zu klein wird, führt das Fließverhalten in diesem Bereich zu einer dramatischen Erhöhung des Hydraulikdrucks.

Bild 2 – Hydraulikdruck und zwei Druckkurven nah am Anspritzpunkt (P-runner2) und nah an der Maschine (P-runner1)

In der Simulation kann der Druck ebenfalls an verschiedenen Positionen vorhergesagt werden. Zusätzlich basiert die Simulation normalerweise auf unterschiedlichen Modellen und idealen Randbedingungen. Aufgrund des ausgewählten Modells und der getroffenen Annahmen können die Simulationsergebnisse variieren. Diese Schwankungen beruhen auf den komplexen Zusammenhängen zwischen Vermessungsfehlern des Materials, Modellierung und Annahmen. Dadurch sind die Ergebnisse oft schwer zu beurteilen.

Ein kritischer Wert für die Vorhersage des Drucks ist die von Scherraten und Temperaturen abhängige Viskosität. Leider gibt es keinen direkten Weg um die Viskosität zu messen. Je nach benutztem System werden Druck oder Drehmoment bei festgesetzten Fließbedingungen gemessen. Basierend auf diesen Werten und mit verschiedenen Korrekturen kann die Viskosität berechnet werden. Da die Einstellung dieses Systems sehr sensibel ist, können die Ergebnisse in einem breiten Spektrum variieren. Besonders für Gummimischungen können die Abweichungen der gemessenen Viskosität mehr als 100% betragen.

Bild 3 zeigt die Ergebnisse von drei Messungen einer Mischung (eine Charge), die in drei verschiedenen Laboren gemessen wurden. Das Diagramm ist logarithmisch dargestellt. Die im Labor 3 gemessene Viskosität ist fünfmal höher als die im Labor 2 gemessene. Werden diese Viskositäten in der Simulation genutzt, ist der vorhergesagte Druck für die drei Messungen komplett unterschiedlich.

Bild 3 – Bei drei verschiedenen Laboren gemessene Viskosität einer Materialcharge

Ein Grund für die Unterschiede ist die Sensitivität der Hochdruckviskosimeter. Je nachdem wie das Elastomer in der Maschine positioniert wird und wie das System eingestellt wird, können sich die Messwerte stark unterscheiden.

Weitere Einflüsse sind die verschiedenen Korrekturen, die genutzt werden, um die wahre Viskosität zu berechnen (Weissenberg-Rabinowitsch, Mooney, Bagley). Diese Korrekturen benötigen normalerweise eine komplexere Einstellung oder andere Experimente. Da jedes Experiment bezahlt werden muss, werden nicht alle Korrekturen für jede Charakterisierung durchgeführt.

Zusätzlichen zum bereits komplexen Problem der bekannten Korrekturen, gibt es keine Korrektur, die die Temperaturerhöhung während der Messung berücksichtigt. Das Material wird mit hohem Druck durch eine Kapillare gepresst. Je höher Druck und Geschwindigkeit sind, desto höher ist auch die Schererwärmung. Abhängig von der Sensibilität der Viskosität für Temperaturänderungen ist die reale Viskosität unter Umständen deutlich höher als die gemessene. Bild 4 zeigt ein virtuelles Experiment. In diesem Experiment wird ein Material mit einer bestimmten Viskosität (original viscosity) zur Simulation eines Hochdruckkapillarviskosimeters genutzt. Mit Hilfe des simulierten Drucks wird wie im realen Experiment die Viskosität berechnet. Die zweite Kurve (viscosity isotherm) zeigt die so berechnete Viskosität. Das verwendete Material wurde für die Simulation so manipuliert, dass sich seine Temperatur nicht ändern konnte. Die beiden Kurven stimmen sehr gut überein. Dieser Machbarkeitsnachweis zeigt, dass die Simulation der Kapillare sehr genau funktioniert und eine korrekte Druckvorhersage liefert.

Bild 4 – Tatsächliche und berechnete Viskosität für isothermes Materialverhalten

Anschließend wurde eine weitere Simulation durchgeführt. In diesem Fall konnte sich die Temperatur des Materials durch Schererwärmung ändern. Wieder wurde die Viskosität berechnet. Bild 5 zeigt die tatsächliche (grüne Kurve) und berechnete Viskosität (rote Kurve) für dieses Material. Im Bereich niedriger Scherraten stimmen die zwei Kurven sehr gut überein. In diesem Bereich ist die Schererwärmung gering, so dass sich das Material nicht sehr erwärmt. Bei höheren Scherraten wächst der Abstand zwischen den Kurven. Bei einer Scherrate von 1000/s unterscheiden sich die Kurven um den Faktor zwei. Dieses einfache Experiment zeigt den deutlichen Einfluss des Temperaturanstiegs während der Viskositätsmessung. Um den Druckverlust in einem Elastomerwerkzeug richtig vorherzusagen, muss dieser Einfluss ebenfalls in einer Korrektur berücksichtigt werden.

Ein Weg, die reale Viskosität zu ermitteln, ist die Simulation. Mit SIGMASOFT® Virtual Molding wird die reale Viskosität unter Berücksichtigung des Temperaturanstiegs ermittelt.

Diese kurze Einführung in die Messung und Simulation von Druck zeigt, dass viele Fragen im Detail beantwortet werden müssen, um eine Übereinstimmung von simulierten Ergebnissen und gemessenem Druck zu gewährleisten. Es ist nicht immer nötig, alle Fragen zu beantworten, aber es ist wichtig sich des Einflusses verschiedener Effekte bewusst zu sein. So können kritische Werte in der Produktion vermieden werden.

Bild 5 – Tatsächliche und berechnete Viskosität für ein normales Materialverhalten