Bauteilfehler: Ursachenfindung mit Simulation

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Bauteilfehler: Ursachenfindung mit Simulation

Erschienen im Magazin: Plastverarbeiter 10/2013, Seite 198-199

Autoren: Tobias Mansfeld und Vanessa Schwittay

Die Simulation ist als nützliches Hilfsmittel während der Formteilkonstruktion allgemein etabliert. Sie bietet jedoch wesentlich mehr als nur Antworten auf typische Fragen der Bauteilentwicklung wie Angusslage, Angussgröße oder Zahl der Anbindungen. Sie ist darüber hinaus ein geeignetes Mittel zum Troubleshooting, da mit ihrer Hilfe Ursachen für Qualitätsprobleme erkannt und Gegenmaßnahmen bestimmt werden können. Bestehende Produktionsprozesse werden so wirtschaftlicher gestaltet. Im vorliegenden Fallbeispiel wird ein bereits in der Produktion befindliches Formteil, eine Tragfeder, mit Hilfe von virtuellen Spritzgießversuchen analysiert, um die Ursachen einer Versagensstelle zu ermitteln und geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen.

 

Im folgenden Fallbeispiel wird eine Tragfeder im oberen Bereich durch einen Filmanschnitt angespritzt. In der Nähe dieses Filmanschnitts kommt es zu einer Fehlstelle, die von außen nicht sichtbar ist. Erst im mechanischen Belastungsfall am Prüfstand treten Unregelmäßigkeiten in den Messergebnissen auf. Ein Schnitt durch das Bauteil macht auch die Schwachstelle sichtbar.
An Stelle der üblichen Trial-&-ErrorVersuche, die zeit- und kostenintensiv sind, wird die Simulation als Hilfsmittel zur Ursachenfindung gewählt. Hier kann im Gegensatz zu einer geringen Anzahl realer Versuche in kurzer Zeit eine Vielzahl virtueller Spritzgießversuche am Computer durchgeführt werden. Dazu sind lediglich die Geometrie- und Prozessdaten sowie die Materialdaten des verwendeten Naturkautschuks notwendig. Geometrieund Prozessdaten sind bei allen in der Produktion befindlichen Werkzeugen vorhanden und können ohne Aufwand in die Simulation übernommen werden. Die Materialdaten werden vom Hersteller, Verarbeiter oder bei einem externen Prüflabor ermittelt. Dazu werden messtechnische Standardverfahren verwendet, wie beispielsweise die Viskositätsmessung mit Rubber Process Analyser RPA oder Hochdruckkapillarrheometer HKV.

 

Ergebnisse aus der Simulation zeigen Ursachen für Fehlstellen
Zur Ursachenermittlung wird zunächst eine Simulation des aktuellen Prozesses durchgeführt. Aufgrund des Zusammenspiels von Filmanschnitt, Formfüllung und dünnwandigen Bereichen ergeben sich im Bereich des Anschnitts hohe Geschwindigkeiten und damit auch hohe Scherraten. Zu
hohe Scherraten haben bekanntlich eine Überbeanspruchung des Polymers zur Folge. Im vorliegenden Fall führt diese Überbeanspruchung zum Spalt zwischen den beiden Bereichen mit geringerer Scherbelastung. Gleichzeitig führt eine erhöhte Scherrate auch zu einem Anstieg der Polymertemperatur. Diese sogenannte Schererwärmung ist je nach Polymer unterschiedlich stark ausgeprägt und zeigt sich hier besonders im dünnwandigen, angussnahen Bereich. Dieser aufgezeigte Bereich ist besonders temperaturkritisch, da einerseits Scherwärme entsteht und andererseits Wärme an das kalte metallische Einlegeteil abgegeben wird, das bedeutet es können Temperaturunterschiede von 20 °C und mehr entstehen.
Neben der Füllphase beeinflusst auch die Heizphase, in der die Vernetzung des Polymers stattfindet, diesen Bereich. Hier ist besonderes Augenmerk auf die Gradienten und nicht nur auf den maximal erreichten Vernetzungsumsatz zu legen. In der Tragfeder ist der Vernetzungsumsatz im kritischen Bereich sehr niedrig und im angrenzenden Bereich sehr hoch. Der Gradient, der hauptsächlich von der Thermik und der Wandstärke dominiert wird, bleibt bis zum Zeitpunkt der Entformung nahezu konstant. Erst nach der Entformung steigt der Vernetzungsumsatz merklich an. Allerdings erfolgt die Vernetzung nach der Entformung ohne den notwendigen Haltedruck, um eine qualitativ gute Vernetzung in diesem Bereich zu erreichen. Dies verstärkt den Effekt der Separation vom Elastomer zum Einlegeteil und innerhalb des Elastomers zusätzlich.

 

Beste und wirtschaftlichste Variante auswählen
Nachdem mit Hilfe des Virtual Moldings die Ursachen für die Fehlstellenbildung im bestehenden Prozess ermittelt sind, können in weiteren virtuellen Versuchen Gegenmaßnahmen, wie Variationen der Prozesszeiten und – temperaturen oder alternative Polymermischungen, getestet und miteinander verglichen werden. Abschließend kann die beste und wirtschaftlichste Variante ausgewählt und in der Produktion umgesetzt werden. Trial-&-Error-Versuche an der Maschine entfallen und der verbesserte Produktionsprozess kann direkt gestartet werden. Dies ist nur eines von zahlreichen Beispielen dafür, wie die Simulation dazu beiträgt, die Ursachen von Prozessproblemen aufzudecken und ihnen entgegenzuwirken, den Ausschuss zu minimieren und die Bauteilqualität zu steigern.